Sankt Martin

Jahr2014
FotoChristian Habel
OrtHeyerode, Deutschland

Der Mühlhäuser Werkstätten e.V. richtet sich mit seinen Diensten und Angeboten an Menschen mit Behinderungen, um deren größtmögliche Selbstständigkeit sowie die Umsetzung eigener Wünsche, Interessen und Lebensmodelle erlebbar zu gestalten. Eine der Einrichtungen, die Wohnstätte „St. Martin“ in Heyerode ist ein Lebensraum und Förderort für Kinder und Jugendliche mit kognitiven Einschränkungen.
Die engagierte Leiterin der Institution und die Gartenarchitektin des Hauses hatten die Idee, den Kindern ein Baumhaus als Erlebnisort zu schaffen. Es sollte ein Ort werden, in dem sich die Kinder und Jugendlichen zurückziehen können, in dem sie ungestört spielen und sein können, ein Refugium also, das zu ihrem eigenen persönlichen Raum werden kann.

Bei der Annäherung an diese Aufgabe waren naturgemäß sicherheitsrelevante und Kostenfragen wichtige Aspekte, die die Möglichkeiten beeinflussten. Im Wesentlichen sollten die Bewohner der Wohnstätte „St. Martin“ einen geschlossenen und einen überdachten Raum bekommen, in dem sie spielen und verweilen konnten. Zudem sollte es eine von den Birken durchdrungene Terrasse geben.
Unser Vorschlag ein sehr farbenfrohes Baumhaus zu schaffen, stieß nicht nur bei der Leitung der Wohnstätte auf Zustimmung. Auch die Kinder und Jungendlichen fanden unseren Entwurf prima.
In Kooperation mit der Gartenarchitektin wurde von uns ein Spektrum von Farben für die Fassade erarbeitet. Die Fassadentafeln sollten patchworkartig angeordnet werden. Es sollte sich ein freies Spiel der Farben nach außen hin darstellen. Als Fassadenwerkstoff wurden hochbeständige Schichtpressstoffplatten (HPL) ausgewählt.
Im Innenraum planten wir Bankflächen und Stauflächen und jede Menge Kissen. Fenster an teils ungewöhnlichen Positionen sollten dabei für inspirierende Ausblicke in den Garten oder zur überdachten Terrasse sorgen. Die Umsetzung wurde in weiten Teilen selbst von den Mühlhäuser Werkstätten übernommen.
Selbst die Geländer der unteren Terrasse wurden von der hausinternen Flechterwerkstatt mit ungeschälter Weide kunstvoll verkleidet. Bei der Realisation des Rohbaus des Baumhauses gab es Unterstützung von einer regionalen Zimmerei und einem Metallbaubetrieb.
Nachdem das Baumhaus fast fertig war, rührte sich Widerstand in der Nachbarschaft des Außengeländes. Anwohner der umliegenden Häuser störten sich an der munteren Farbgebung des neuen Spielhauses. Man organisierte sich und machte sogar den Bürgermeister der Gemeinde mobil. Regionale Zeitungen berichteten über den Streit, welche die vermeintlich grelle Gestaltung des Baumhauses ausgelöst hatte. Bei einer Ortsbegehung sollten die Nöte der Nachbarn, deren Geschmacksvorstellungen tief berührt wurden, Gehör finden. Es sollte vielleicht sogar ein Kompromiss der Parteien ausgehandelt werden.
Leider gelang es bei der Zusammenkunft am Baumhaus nicht die aufgebrachten Gemüter zu beruhigen oder sie zu überzeugen, das farbenfrohe Baumhaus am Ende sogar gut zu finden. Eine Lösung des Geschmackskonfliktes wurde vertagt.

Das farbenfrohe Baumhaus steht noch. Der Bauherr und was noch wichtiger ist, die eigentlichen Benutzer des Baumhauses, nämlich die Kinder und Jungendlichen, sind mit dem Baumhaus sehr zufrieden und mögen es.
Architektur ist nun mal auch Geschmacksache und recht machen kann man es in manchen Fällen nicht jedem.


Baum: eine Birkengruppe
Höhe: untere Terrasse: 2,30 m, Baumhaus: 3,40 m
Statik:  Stahlstützen; Tragbalken aus Lärche.
Terrassenkonstruktion: Balken und Terrassendielen aus Lärche
Innenfläche: 8,0 qm
Terrassenfläche: untere Terrasse 7,0 qm, überdachte Terrasse 6,0 qm,
Konstruktion Kabine: von innen nach außen: Holzrahmenbau aus Lärche; 20 mm; Muliplexplatten, 21 mm Unterkonstruktion;  Schichtpressstoffplatten (HPL)  wetterbeständig, sichtbar verschraubt.
Dacheindeckung: 2-lagige Bitumenabklebung im Gefälle

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